Je ne participe pas
Ich mache nicht mit
Wir machen nicht mit
Мы не будем участвовать
Eu não participou
I Won't Participate
Nous ne participerons pas
I Don't Participate
We Refuse to Participate
لن نشارك
Não vamos participar
Tot bei Ankunft
Zweite Übung (feat. The Tear-Down-Ensemble)
Vor wenigen Tagen hat das Humboldt Forum theatralisch verkündet, dass die verschobene Teileröffnung zunächst nun doch nur digital stattfinden kann. Das Motto „Auf die Plätze, fertig – stopp!“ suggeriert, dass das Gebäude fertig und das Programm startklar sei, aber dass alles nun durch das Coronavirus ausgebremst wurde. Die Schließung der Museen aufgrund der Pandemie kommt sehr gelegen, um die Tatsache zu vertuschen, dass das Humboldt Forum in Wahrheit in seine Eröffnung nur hinein stolpert. So sind in den letzten Wochen Gerüchte über Tausende von Baumängeln durch die Presse geschwirrt. Eine jüngst unter Stiftungsräten des Humboldt Forums kursierende Notiz bestätigt Bauberichte, die eine Teileröffnung am 17. Dezember für „weiterhin stark risikobehaftet“ einschätzten.
Nochmal zur Erinnerung: die geschätzten Kosten dieses Gebäudes liegen nun bei 677 Millionen Euro, nachdem weitere 33 Millionen am 6. Oktober diesen Jahres hinzugekommen sind. Weitere 2 Millionen Euro versanden jeden Monat in der Aufrechterhaltung der Baustelle. Es scheint, dass das Humboldt Forum das kulturelle Äquivalent zum bodenlosen Geldloch des BER-Flughafens wird – die andere neue Bauruine, die längst aufgegeben worden wäre, wenn nicht der ganze Stolz der deutschen Ingenieurskunst auf dem Spiel stünde. Beide Megaprojekte sind selbstzerstörend in ihrer konzeptionellen Hybris und wurden immer aus Neue wiederbelebt mithilfe noch unbekannter Summen von Steuergeldern .
Erst diese Woche steht das Humboldt Forum im Mittelpunkt eines neuen Skandals. Die nigerianische Regierung hat offiziell die Rückgabe gestohlener Objekte gefordert, darunter auch die Benin-Bronzen, die zentral für das zeitgenössische Kolonialspektakel im Humboldt Forum vorgesehen waren. Und dies ist nicht das erste Mal: die Berliner Regierung hat frühere Forderungen bislang ignoriert oder vertagt. Kwame Opoku bezeichnet diese Arroganz treffend als „einzigartig in ihrer Dreistigkeit und ein Schlag ins Gesicht der Geschichte und der Wahrhaftigkeit.“
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), dessen außereuropäische Sammlungen im Humboldt-Forum untergebracht werden sollen, hat unterdessen auf Forderungen nach mehr Transparenz in Bezug auf ihre kolonialen Sammlungen mit dem Hinweis geantwortet, dass sie für eine solche Arbeit mehr Geld benötigen würden. Aber eines ist klar: noch mehr Geld in imperialistische Monumente zu stecken, heilt nicht die Wunden imperialer Gewalt. Stattdessen fragen wir mit Duane Jethro: „Wie können wir die Kolonialgeschichte, die christliche Missionsarbeit, das ethnografische Sammeln und die soziale Rolle der ethnografischen Museen heute aufdröseln? (…) Es geht um konkretes Handeln, das eine radikale, echte Aufarbeitung der materiellen Beziehungen zur Vergangenheit erfordert.“ Oder, wie es Bonaventure Soh Bejeng Ndikung ausdrückt: „‘Shared Heritage’ muss aus ökonomischer Sicht auseinanderdividiert werden.“
Die Coalition of Workers Against the Humboldt Forum begrüßt den „Stopp“ als einen guten Ausgangspunkt, um dieses untote Projekt gleich ganz zu beenden. Mit der heutigen Nichteröffnung beginnt das Humboldt-Forum seinen freien Fall in die wachsenden Lücken seines Haushalts, in eine bodenlose Grube von Ausgaben und in die hässliche Leere seines eigenen konzeptuellen Lochs. Heute ist der Anfang vom Ende, und wir sind hier, um Tschüss zu sagen.
Während wir zusehen, wie sich das Humboldt Forum sein eigenes Grab schaufelt und beim Versinken noch mehr Geld mit sich begräbt, haben wir einen besseren Vorschlag: Drehen wir das durchgedrehte Sparschwein doch auf den Kopf! Dann lässt sich der Geldstrom, der in das Loch Humboldt Forum fließt, umleiten in eine nachhaltige und sinnvolle Dekolonisierung der Berliner Kulturinstitutionen, Sammlungen und Programme! Defund the Humboldt Forum!
Dafür schlagen wir folgende Umverteilungen vor. Die mindestens 60 Millionen Euro, die jedes Jahr benötigt werden, um die Betriebskosten des Hauses zu decken, könnten stattdessen für die Rückführung gestohlener Objekte und menschlicher Gebeine in ihre Herkunftsländer genutzt werden. Und die 7,5 Millionen Euro, die das Humboldt Forum immer noch nicht für seine Fassade zusammen hat, könnten einen unabhängigen Umverteilungsrat finanzieren. Dieser sollte von Menschen gebildet werden, die von den generationsübergreifenden Traumata des Kolonialismus und Imperialismus betroffen sind, die sich für dekoloniale Perspektiven engagieren und für Gerechtigkeit, Respekt und symbolische und materielle Reparationen kämpfen. Teil des Rats könnten zum Beispiel das Bündnis „Decolonize Berlin e.V.“ und auch Initiativen in kolonisierten und ehemals kolonisierten Ländern sein. Die 8 Millionen Euro für die Berlin Global-Ausstellung könnten genutzt werden, um die kreuztragende Kuppel abzubauen und ihre Einzelteile für interessantere Zwecke zu recyceln. Solange dies nicht geschieht, verstehen wir jede Zusammenarbeit mit dem Humboldt Forum als einen Angriff auf die der Welt, die wir aufbauen wollen.
Die von der Institution behaupteten Restitutionserfolge sind haltlos – sie haben noch gar nicht begonnen! Solange die Inventare nicht öffentlich und für alle transparent gemacht werden, ist unabhängige Provenienzforschung schwierig und jede Form der Wissensproduktion, die vom Humboldt Forum ausgeht, zweifelhaft. Dekoloniale Bestrebungen fordern seit langem die Aufhebung der weißen Deutungshoheit über kulturelles Erbe. Eine angemessene Antwort auf diese Stimmen ist längst überfällig.
BITTE ERSPAR UNS DEINE „ERÖFFNUNG“! HÖR ENDLICH AUF!
Wir halten schon die Luft an – nicht wegen der Glykolaustritte oder der instabilen Luftfeuchtigkeit oder der Mängel im Raumklima.
Wir sind schon müde – nicht wegen der Unzulänglichkeiten der Sicherheitsbeleuchtung, der ständigen Verzögerungen, der ewig wachsenden Kosten oder der schlechten Baustellenleitung.
Wir haben schon die Schnauze voll – nicht wegen der schlecht schließenden Außentüren, dem generellen Zweifel an der Funktionalität des Zugangsmanagements oder den anderen 2000 Mängeln, die bis zur Eröffnung nicht behoben werden können.
Wir halten die Luft an, weil deine bloße Idee und deine untote Erscheinung zum Himmel stinken! Wir halten die Luft an, weil dein Keller voller Leichen ist! Weil Imperialismus verlernen mit dir einfach nicht geht!
Wir sind müde, weil du grundsätzlich nicht dazu geeignet bist, eine Institution des 21. Jahrhunderts zu werden! Weil du ein Albtraum aus der Vergangenheit bist, weil du unsere Toten nicht ruhen lässt, weil wir nicht schlafen werden, bis du erledigt bist!
Wir haben die Schnauze voll, weil du dein erbärmliches, abgrundtiefes Scheindasein mit den provinziellen Symbolen des imperialistischen Strebens und der christlichen Dominanz gekrönt hast. Weil du mit deinem neupreußischen Kitsch allen die Sicht versperrst. Weil du der Traualtar für Monarchisten und Kapitalisten bist. Weil du nicht zuhörst, und deine planlosen, fragwürdigen Pläne wider besseren Wissens durchziehst.
Wir werden singen, bis der goldene, kreuztragende Reichsapfel und die unmöglichen Insignien abgenommen sind. Wir werden singen, bis das Humboldt Forum abgetragen und auf den Kopf gestellt ist.
Du sagst: „Wir werden fertig. Wir machen auf. Wir fangen an. Wir werden Humboldt Forum. “ Wir sagen: „Du bist fertig. Das ist der Anfang deines Endes. Du warst schon immer eine sehr schlechte Idee und du wirst fallen.“
Du sagst: „Das Humboldt Forum wird teuer.“
Wir sagen: „Es wird noch viel teurer sein als in Deinen schlimmsten Albträumen.“
Du stirbst einen schleichenden Tod, und das sagen wir seit deinem allerersten Entwurf! Daher: Wir machen nicht mit! Tear it down and turn it upside down! Defund the Humboldt Forum now!
The Coalition of Cultural Workers Against the Humboldt Forum
Berlin, 14. Dezember 2020

Matthias Reichelt


















Photograph by Thabo Thindi

Photograph by Thabo Thindi

Photograph by Thabo Thindi

Photograph by Thabo Thindi

Photograph by Thabo Thindi

Matthias Reichelt

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Matthias Reichelt

Matthias Reichelt

Matthias Reichelt

Matthias Reichelt
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